Aus einer zivilrechtlichen Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2000 lassen sich allgemeingültige Aussagen ableiten. Hier erfahren Sie welche.

 

Grundlagen

Aus einer zivilrechtlichen Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2000 lassen sich folgende, allgemeingültige Aussagen ableiten:

  • Die aktuellen Empfehlungen der STIKO sind medizinischer Standard.
  • Die empfohlenen Schutzimpfungen im Säuglings- und Kleinkindalter sind Routinemaßnahmen, und den Eltern ist der Entscheidungskonflikt durch die öffentlichen Empfehlungen weitgehend abgenommen.
  • Den Eltern muss üblicherweise keine Bedenkzeit eingeräumt werden. Die Impfung muss deshalb auch nicht an einem gesonderten, von der Aufklärung zeitlich getrennten Termin stattfinden.
  • Es muss über alle spezifischen Risiken der Impfung aufgeklärt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die möglichen Risiken der Impfung häufig oder selten auftreten.
  • Zu Nebenwirkungen und Komplikationen genügt eine Aufklärung im Großen und Ganzen. Die Erläuterung einzelner medizinischer Diagnosen ist nicht erforderlich.
  • Zur Aufklärung gehört auch die Beschreibung der impfpräventablen Erkrankung. Auf unnötige Dramatisierung soll verzichtet werden.
  • Merkblätter sind üblich und haben für den Arzt den Vorteil der späteren Beweisbarkeit.
  • Die alleinige Aufklärung durch ein Merkblatt ist nicht ausreichend. Es muss immer Gelegenheit zu einem Gespräch angeboten werden.
  • Die Einwilligung zur Impfung kann mündlich erfolgen; eine Unterschrift ist nicht notwendig.
  • Bei Routinemaßnahmen wie einer Impfung genügt die Einwilligung eines Elternteiles. Der Arzt kann in der Regel darauf vertrauen, dass der andere Elternteil ebenfalls zustimmt.
  • Bei der zweiten Impfung mit dem gleichen Impfstoff im Rahmen einer Grundimmunisierung ist keine erneute Aufklärung erforderlich.
  • Die Entscheidung über die Durchführung einer Impfung triff allein die zu impfende Person bzw. bei Minderjährigen der Sorgeberechtigte. Grundlage dieser Entscheidung ist die ordnungsgemäß durchgeführte Aufklärung. Ab einem Alter von 16 Jahren können Jugendliche in der Regel selbst entscheiden.

Quellen:
Nassauer A, Ley S, Quast U, Schmitt HJ (2000) Mehr Rechtssicherheit beim Impfen. Bundes-Gesundheitsbl. 43: 519 - 524.
Nassauer A (1997) Schutzimpfung Jugendlicher: Einwilligung der Eltern immer nötig? Fortschritte der Medizin 115: 34 - 38


Häufig gestellte Fragen:

Darf eine Impfung vorgenommen werden, wenn die zu impfende Person die Inhalte der Aufklärung erkennbar wegen Sprachschwierigkeiten nicht versteht?
Nein, denn die/der Patient(in) ist nicht aufgeklärt und kann daher auch nicht wirksam einwilligen! Ist kein zuverlässiges, fremdsprachiges Merkblatt verfügbar, dürfte ein in der Praxis gangbarer Weg sein, ein deutschsprachiges Merkblatt mit nach Hause zu geben und darum zu bitten, dass eine Person des Vertrauens die Inhalte übersetzt.
Oft sind das ältere Kinder/Jugendliche im Haushalt. In dem Fall ist auch eine Unterschrift des Impflings oder seines Sorgeberechtigten sinnvoll.

Darf eine Impfung vorgenommen werden, wenn die zu impfende Person die Inhalte der Aufklärung erkennbar wegen eines zu geringen Bildungsgrades nicht begreift?
Wird die Aufklärung nicht verstanden, kann auch keine Einwilligung erteilt werden.
Dieses Problem ist allerdings kein Spezifikum bei Schutzimpfungen. Unstreitig ist, dass für Personen, die unter Pflegschaft Betreuung, Vormundschaft stehen (wegen der Besonderheiten des Einzelfalles) die Zustimmung des allgemein oder speziell "Sorgeberechtigten" eingeholt werden sollte. Ist jemand geschäftsfähig, sind für die Einwilligung bei Schutzimpfungen formal besondere Schritte nicht erforderlich. Allerdings sollte gerade in solchen Fällen auf Formulare (aus ganz nahe liegenden Gründen) eher verzichtet und eine Aufklärung betrieben werden, die sich bewusst und sorgfältig an der Einsichtsfähigkeit des Aufzuklärenden orientiert.

Ist für einen Heranwachsenden bei einer öffentlich empfohlenen Impfung die Einwilligung der Sorgeberechtigten erforderlich?
Der Begriff des Heranwachsenden ist im Zivilrecht nicht bekannt. Im Jugendstrafrecht sind dies Erwachsene zwischen 18 bis 20 Jahren. Da es bei der Einwilligung auf die individuelle Reife und Einsichtsfähigkeit ankommt, die in der Regel mit 16 Jahren gegeben ist, sind für den angegebenen Alterszeitraum, der generell von Voraussetzungen des Zivilrechts ausgeht, abweichende Hinweise nicht erforderlich (siehe auch Nassauer, Fortschritte der Med.).

Ist für einen Heranwachsenden bei einer Impfung, die nicht öffentlich empfohlen ist, die Einwilligung der Sorgeberechtigten erforderlich?
Nicht die öffentliche Empfehlung, sondern die Voraussetzungen "indizierte Impfung" und "wirksame Einwilligung" spielen eine Rolle. Die Umstände des Einzelfalles bestimmen, ob man auf den Umstand, dass eine Impfung nicht öffentlich empfohlen, aber doch ratsam ist, besonders erläutern sollte.